PRESSEMITTEILUNG
und Update der Initiative “Bucht für Alle” am 04.02.2022 über unsere Klage gegen den Bebauungsplan “Ostkreuz”.
Liebe Unterstützer*innen,
für viele von euch liegen die Spenden für die Klage gegen den „Bebauungsplan Ostkreuz“ schon lange zurück. Bereits in 2020 habt ihr begonnen dafür zu spenden. Mit eurer Hilfe konnten wir die Klage auf den Weg bringen und umsetzen.
Leider hat sich das Gericht monatelang nicht mit der Sache beschäftigt. Im Angesicht der drohenden Bebauung sahen wir uns daraufhin genötigt einen Eilantrag zu stellen. Dieser hat die möglichen Kosten für die Klage um ca. 8000 Euro erhöht. Hierfür habt ihr nochmals kräftig gespendet. Dennoch konnten die geschätzten Gesamtkosten des Verfahrens durch die Spenden nicht ganz erreicht werden. Deshalb haben wir als Initiative “Bucht für Alle” und die “NaturFreunde” das restliche Kostenrisiko in Höhe von 3000 Euro auf uns genommen, im Glauben und in der Erwartung, dass nun schnell in der Sache entschieden wird und nicht weitere Bauanträge bewilligt werden.
Das zuständige Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ließ die Investoren jedoch weiter agieren. Bauanträge wurden weiterhin durch das Bezirksamt Lichtenberg bewilligt und es wurde vor unseren Augen gebaut. Teilweise wöchentlich hat unser Anwalt das Gericht im letzten dreiviertel Jahr angeschrieben, darauf hingewiesen und das Gericht zu einer Entscheidung aufgefordert. Bereits am 6. April 2021 wurde der Eilantrag gestellt, aber erst letzte Woche, also mehr als 9 Monate später, hat das Gericht sich abschließend damit befasst und eine Entscheidung getroffen. Schockiert und frustriert mussten wir erkennen, dass unser Antrag nicht für wichtig genug befunden wurde.
Wir müssen euch daher leider mitteilen, dass das Gericht unseren Eilantrag abgelehnt hat. Unser Anwalt Karsten Sommer hat zu der Entscheidung des Gerichts folgende Stellungnahme verfasst:
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Gerichtliche Entscheidung: Oberverwaltungsgericht lehnt Eilantrag gegen den Bebauungsplan für „Coral World“ ab.
“Mit Beschluss vom 25. Januar 2022 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einen Eilantrag der NaturFreunde, Landesverband Berlin e.V., gegen den Bebauungsplan, der die Grundlage für die Baugenehmigung der „Coral World“ bildet, abgelehnt.
Vorangegangen war ein Anfang Januar 2020 eingereichter sogen. Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan XVII-4 „Ostkreuz“ des Bezirks Lichtenberg.Der Bebauungsplan bildet die planungsrechtliche Grundlage für die Bebauung der letzten großen Freiflächen am Rummelsburger See und eine öffentliche Parkanlage. Ausgerechnet die auch dem Ausgleich der Eingriffe in Boden, Pflanzen- und Tierwelt dienende und die letzten größeren Freiflächen für die Öffentlichkeit bietende Parkanlage hatte das Land Berlin in großen Teilen aber zuvor bereits dem Investor der „Coral World“ für einen geplanten Biergarten, die Installation von Wasserspielen u.a.m. und zur Einzäunung (mit nächtlichem Abschliessen) vertraglich überlassen. Diesen „Etikettenschwindel“ – unter dem Etikett der öffentlichen Parkanlage soll eine abgezäunte privatnützige Nutzung realisiert werden -, die fehlende Prüfung der im Stadtentwicklungsplan Klima KONKRET 2016 aufgelisteten Klimaschutzmaßnahmen trotz deutlicher Verschlechterung des Klimas durch die Planung, u.a. hatten die NaturFreunde Berlin mit ihrem Normenkontrollantrag gerügt.
Nachdem sich abzeichnete, dass auch in dem dem Normenkontrollantrag folgenden Jahr 2021 keine Entscheidung fallen würde, das Verfahren aber mit Erteilung der Baugenehmigung für „Coral World“ erledigt sein würde, haben die NaturFreunde am 6. April 2021 einen Eilantrag eingereicht.
Nachdem der „Eil“-Antrag dann beim Oberverwaltungsgericht mehr als 9 Monate lag, enttäuscht jetzt die Begründung des Beschlusses vom 25. Januar 2022. Mit dem Vorwurf des Etikettenschwindels wurde erhoben, weil eine öffentliche Parkanlage dort festgesetzt wurde, wo das Land Berlin sich bereits vertraglich gebunden hat, dem Investor Flächen für Biergarten und Wasserpark zur Gestaltung, Nutzung und Einzäunung zu überlassen. Das OVG geht aber auf die der Planfestsetzung entgegenstehende vertragliche Bindung gar nicht näher ein, belässt es bei der Feststellung, der Plangeber habe eine öffentliche Parkanlage festgesetzt. Der Klimaschutz gerät in der Entscheidung zu einem Abwägungs- gesichtspunkt mit höchster Beliebigkeit, bei dem es ausreichen soll, wenn er denn irgendwie gesehen und in die Abwägung eingeführt wird. Dass Planungsleitlinien und der recht konkrete Prüfkatalog des Landes Berlin ignoriert wurden, hält das Gericht für unschädlich, da ja „irgendwie“ auch der Klimaschutz abgewogen sei. Die Rüge, dass die Abwägung der einzigen klimaschutzbezogenen Maßnahme des Bebauungsplans, der Dachbegrünung, fehlerhaft ist, weil die Dachbegrünung gar nicht verbindlich festgesetzt und auch nicht in dem in der Abwägung unterstellten Umfang zu erwarten ist, wird nicht behandelt. Nach diesen Maßstäben dürfte wohl der Klimaschutz in Berlin weiter bei der Aufstellung von Bebauungsplänen weitgehend missachtet werden. Das scheint angesichts der intensiven auch juristischen Debatte zum Klimaschutz erschreckend unreflektiert. Zumindest eine Auseinandersetzung mit dem Vorwurf, das Gewicht des Klimaschutzes in der konkreten Planung sei übersehen worden, hätte man vom Gericht erwarten können. Trotz 30 Seiten Umfangs enttäuscht der Beschluss des OVG daher inhaltlich und auch wegen der unzumutbaren Verfahrensdauer.”
Karsten Sommer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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Eine höhere reguläre Instanz, der wir die Sache vorlegen könnten, gibt es leider nicht. Wir sind daher nach vielen Jahren Engagement und vielen verschiedenen Versuchen ziemlich am Ende unserer rechtlichen und demokratischen Möglichkeiten angelangt.Für uns ist es weiterhin unfassbar, wie sehr sich die Landes- und Bezirkspolitik an den Investor:inneninteressen orientiert und die Bedürfnisse der Bevölkerung und Nutzer:innen dieser Stadt ignoriert.
Wir sind enttäuscht, dass weder die zahlreichen Demonstrationen, ein Einwohnerantrag auf Bezirksebene, eine Petition mit über 45.000 Unterschriften, eine Volksinitiative auf Landesebene mit über 35.000 Unterschriften, noch eine Klage und ein Eilantrag etwas bewirken konnten und die Natur und die Interessen der Menschen an der Rummelsburger Bucht und in dieser Stadt wieder einmal auf der Strecke bleiben.
Gleichzeitig sind wir überaus dankbar für die umfassende Unterstützung und die ermutigenden Worte, das Lob, die Finanzierung der Klage und die vielen Danksagungen die wir von Euch – den Bewohner:innen dieser Stadt – in den letzten Jahren erfahren haben!
Auch wenn es schwer fällt den Kampf gegen die Profitinteressen Einzelner an der Rummelsburger Bucht zu verlieren, hoffen wir inständig, dass ihr Alle weiterhin engagiert bleibt für den Erhalt der Natur, und gegen die Verdrängung von Kunst, Kultur und Freiräumen durch die Investor:innen in dieser Stadt!
Herzlichst und verbittert,
Eure Initiative “Bucht für Alle”